Joghurt mit Löwenzahn? Gerührt und geschüttelt!

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung untersuchen Struktur von Inulin

31. August 2018

Inulin ist ein in verschiedenen Lebensmitteln vorhandenes Molekül, welches z. B. aus Chicorée-, Löwenzahn- oder Sonnenblumenwurzeln gewonnen werden kann. Aufgrund seiner besonderen Struktur hat Inulin im Mund schmelzende und cremige Eigenschaften und eignet sich als kalorienreduzierter Fettersatz für eine gesunde Ernährung. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (MPI-P) haben nun die physikalischen Eigenschaften von verschiedenen Inulin-Präparationen untersucht. Insbesondere haben sie die Abhängigkeit der Zähflüssigkeit von Inulin-Wasser-Mischungen, sogenannten Inulin-Gels, von der Temperatur sowie von mechanischen Kräften vermessen. Die Ergebnisse können dazu beitragen, das Mundgefühl von Lebensmitteln gezielt zu verbessern.

Inulin ist ein langkettiges Molekül, welches in verschiedenen Lebensmitteln, aber auch Pflanzen wie Chicorée oder Löwenzahn zu finden ist. Chemisch gesehen handelt es sich dabei um ein praktisch unverdauliches Kohlenhydrat und kann somit als Ballaststoff für den menschlichen Körper dienen. Heute wird Inulin unter anderem dazu verwendet, um in Wurstwaren den Ballaststoffanteil zu erhöhen. In Joghurt dient es auch heute schon als Fettersatz. Gleichzeitig verändert es die sogenannte „Textur“ des Joghurts, also das Gefühl, welches Joghurt auf der Zunge hinterlässt. Aber warum ist das so? Wie genau Inulin auf Temperaturveränderungen oder mechanische Belastungen – die unter anderem beim Lutschen oder Kauen auftreten können – reagiert und wie man Lebensmittel mit gezielten Eigenschaften herstellen kann haben nun Wissenschaftler um Prof. Dr. Thomas Vilgis (Abteilung Prof. Dr. Kurt Kremer) des MPI-P untersucht.

Hierfür haben sie  Inulin-Gels unter verschieden Bedingungen hergestellt und die Festigkeit gezielt bei unterschiedlichen Temperaturen und Herstellungsbedingungen untersucht. Inulin wird in einem theoretischen Modell der Forscher als kleine, teils flexible Stäbchen beschrieben, die in Wasser unter Rühren gelöst werden. Abkühlen einer solchen Flüssigkeit führt dazu, dass sich die Stäbchen nebeneinander anordnen (kristallisieren) und so die Flüssigkeit verfestigen.  Sie geben  ihr eine andere Textur, wenn sich diese kleinen Kriställchen auf eine ganz bestimmte Art und Weise in unregelmäßiger Art und Weise - sogenannten, fraktalen Aggregaten – zusammenlagern. Starkes Aufheizen bzw. mechanische Belastung führt wieder zu einer starken Verflüssigung (siehe Video). Die Fließeigenschaften können somit genau eingestellt werden, und Festes wird nach dem Schütteln flüssig.

Insgesamt fassen die Forscher zusammen, dass Inulin-Gele, die bei kleinen Temperaturen um 25 °C hergestellt werden fester sind als solche, die bei höheren Temperaturen um 60 °C hergestellt werden. Dies liegt daran, dass bei 25 °C noch ein größerer Teil der Inulin-Moleküle im Wasser ungelöst vorliegen und somit als Keime für eine Bildung von kleinen „Inulin-Kriställchen“ sorgen, die sich dann verbinden und für eine Festigkeit sorgen. Bei 60 °C ist ein Großteil der Inulin-Moleküle gelöst, womit man dann weniger, aber größere Inulin-Kristalle erhält, sie sich weniger gut verbinden und somit für eine geringere Festigkeit sorgen.

Für das erstaunlich cremige und fettige Mundgefühl ist das Zerstören dieser Aggregate zwischen Zunge und Gaumen verantwortlich. Essen ist, ein Stückweit, reine Physik. Die Forscher haben ihre Ergebnisse nun in der renommierten Fachzeitschrift „Food Hydrocolloids“ veröffentlicht.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht