Sonderforschungsbereich zur Tumorimmuntherapie zum zweiten Mal verlängert

In seiner dritten Förderperiode erhält der SFB 1066 „Nanodimensionale polymere Therapeutika für die Tumortherapie" von der DFG rund 13 Millionen Euro

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ab dem 1. Juli 2021 für weitere vier Jahre den Mainzer Sonderforschungsbereich (SFB) 1066 „Nanodimensionale polymere Therapeutika für die Tumortherapie". In seiner nunmehr dritten Förderperiode erhält der SFB rund 13 Millionen Euro. Der SFB 1066 verfolgt das Ziel, Immunreaktionen mit Hilfe von multifunktionalisierten nanopartikulären Wirkstoffträgern im lebenden Organismus gezielt zu beeinflussen und therapeutisch nutzbar zu machen. Diese neuartige Tumorimmuntherapie soll dann insbesondere auch minimale Resterkrankungen, etwa noch unentdeckte, nicht diagnostizierte Metastasen, dauerhaft eliminieren können. An dem interdisziplinären SFB forscht die Universitätsmedizin Mainz (Sprecherschaft Univ.-Prof. Stephan Grabbe) zusammen mit Bereichen der Chemie, Pharmazie und Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P) Mainz. Die erneute Förderung unterstreicht die Bedeutung des Wissenschaftsstandorts Mainz in den Bereichen Biotechnologie, Immunologie und Polymerforschung.

Der Sonderforschungsbereich „Nanodimensionale polymere Therapeutika für die Tumortherapie“ kann seine bereits seit acht Jahren durch die DFG geförderte Forschung der Entwicklung von Immuntherapeutika zur Behandlung fortgeschrittener Tumoren mit Hilfe von Nanomaterialien für weitere vier Jahre fortsetzen. Die am SFB 1066 beteiligten Wissenschaftler verfolgen das Ziel, neue, polymerchemisch erzeugte, multifunktionale, nanopartikuläre Wirkstoffträger zur Immuntherapie maligner Hauttumoren und des Leberzellkarzinoms zu entwickeln. Die nanodimensionale polymere Therapie basiert auf dem Konzept, dass das Immunsystem von Tumorpatienten so effektiv und tumorspezifisch aktiviert wird, dass Tumore über die körpereigene Immunabwehr erkannt und zerstört werden. Dabei setzen die Forscher des SFB 1066 auf den Wirkmechanismus nanopartikulärer Wirkstoffträger, denn diese bieten den Vorteil, dass sie mehrere Wirkstoffe gleichzeitig transportieren und gezielt freisetzen können. Für eine Tumorimmuntherapie können die Wirkstoffträger allerdings nur dann eingesetzt werden, wenn sie einen hochkomplexen und gleichzeitig exakt steuerbaren chemischen Modifikationsprozess durchlaufen haben.

Dass die klinische Anwendung nanopartikulärer Träger ausgezeichnete Erfolge aufweisen kann und sich Immuntherapeutika auf Basis von Botenstoff-Ribonukleinsäuren, sogenannte RNA-Therapeutika, entwickeln lassen, zeigt die Pionierarbeit der Gründer des Biotechnologieunternehmens BioNTech und Entwickler des COVID-19-Impfstoffs COMIRNATY® Prof. Dr. Ugur Sahin und Prof. Dr. Özlem Türeci. Beide waren lange Jahre an der Universitätsmedizin Mainz als Wissenschaftler tätig und sind es auch heute noch. Die RNA (Ribonukleinsäure) besteht aus einem Polynukleotidstrang. Von zentraler Bedeutung ist sie bei der Proteinbiosynthese und deren Teilschritten Transkription und Translation. Es gibt viele verschiedene RNA-Typen, beispielsweise die mRNA (messenger RNA), die genetische Informationen aus dem Zellkern zu den Ribosomen, dem Ort der Proteinbiosynthese, transportiert. Auf RNA beruhende Therapeutika sind auch für die zukünftige Krebsbehandlung ausgesprochen vielversprechend, benötigen aber eine Schutzhülle aus Nanomaterialien, um nach ihrer Anwendung nicht sofort wieder zu zerfallen.

„Wenn man das Immunsystem gezielt gegen Krebs aktivieren will, dann benötigt man komplexe Medikamente, die nicht nur einen Wirkstoff enthalten, sondern aus verschiedenen Substanzen zusammengesetzt sind, die noch dazu so verpackt sind, dass sie gezielt an bestimmten Stellen im Immunsystem wirken können. Für dieses hochkomplexe Ziel ist unsere enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von großem Vorteil“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Stephan Grabbe, Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1066 und Direktor der Hautklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz.

Das unterstreicht auch der Chemiker und bisherige Sprecher des SFBs Prof. Dr. Rudolf Zentel von der JGU: „Die Chemiker haben sich von Anfang an sich sowohl mit der synthetischen Machbarkeit als auch mit den Struktur-Eigenschaftsbeziehungen der Trägermaterialien befasst, während Immunologen und Biomediziner im Sinne einer Kombinationstherapie zur Aktivierung des angeborenen und adaptiven Immunsystems gegen den Tumor Konzepte zur optimalen Einsetzung solcher Träger entwickelten. Die ersten vier Jahre haben wir zudem genutzt, um die jeweils anderen Wissenschaftsbereiche besser verstehen zu lernen und so leichter kooperieren zu können.“

Prof. Dr. Katharina Landfester, Direktorin am Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P) Mainz erläutert: „In den ersten beiden Förderperiode haben die Chemiker und Chemikerinnen des SFBs zahlreiche unterschiedliche Nanoträger entwickelt. Diese haben dann die Immunologen und Immunologinnen in biologischen Systemen hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Tumorwachstum und die gegen den Tumor gerichtete Immunantwort getestet. Vielversprechende Nanoträger wurden weiterentwickelt und speziell an die biomedizinischen Fragestellungen des jeweiligen Projekts angepasst. Nun gilt es, die Nanoträger zielorientiert zu optimieren, am Tiermodell zu testen und im Sinne unserer translationalen Forschung dem Ziel der klinischen Umsetzung immer näher zu kommen.“

Die Interdisziplinarität dieses Sonderforschungsbereichs spiegelt sich auch in der Besetzung seines Leitungsgremiums wieder: Der Vorstand besteht aus dem neu gewählten Sprecher Univ.-Prof. Dr. Stephan Grabbe (Universitätsmedizin Mainz) sowie den stellvertretenden Sprechern Prof. Dr. Katharina Landfester (Max-Planck-Institut für Polymerforschung Mainz) und Prof. Dr. Pol Besenius (Johannes Gutenberg-Universität Mainz). Dem Vorstand gehören außerdem an: Univ.-Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan (Direktor des Instituts für Translationale Immunologie der Universitätsmedizin Mainz), Dr. Mustafa Diken (TRON-Translationale Onkologie an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gGmbH), als Vertreter des wissenschaftlichen Nachwuchses Dr. Lutz Nuhn (Max-Planck-Institut für Polymerforschung Mainz) sowie beratend der ehemalige Sprecher Prof. Dr. Rudolf Zentel (JGU).

Sonderforschungsbereiche ermöglichen die Bearbeitung innovativer, anspruchsvoller und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben im Verbund und sollen damit der Schwerpunkt- und Strukturbildung an den antragstellenden Hochschulen dienen. SFB werden maximal zwölf Jahre von der DFG gefördert.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht