Aus Harry Potters Zauberkasten

Projekt untersucht, wie Medikamente versteckt und gezielt adressiert werden können
 

16. September 2021

Medikamente sollen gezielt bei einem bestimmten Organ wirken und auf dem Weg dahin keine oder nur geringe Nebenwirkungen auslösen. Das durch die EU geförderte Projekt „BOW“ untersucht nun, wie Medikamente bzw. auch andere Stoffe, wie Nanopartikel, gezielt vor dem Körper versteckt werden können und nur dort andocken und Wirkung entfalten, wo sie benötigt werden. Das Max-Planck-Institut für Polymerforschung trägt zu dem Projekt insbesondere bei der spezifischen Adressierung von Organen bei.
 

Es ist eine altbekannte Frage: Woher weiß die Kopfschmerztablette, wo sie wirken soll? Medikamente entfalten ihre Wirkung typischerweise im ganzen Körper, man bemerkt sie jedoch nur dort, wo sie zur Linderung von Symptomen beitragen. In Zukunft wünschenswert ist jedoch, dass Medikamente nur gezielt an bestimmten Organen ihre Wirkung entfalten. Hierfür besteht eine aktuelle Forschungsthematik darin, Medikamente in eine Art „magischen Tarnmantel“ zu hüllen, der sie möglichst biokompatibel macht. Diese verpackten Medikamente werden durch das Blutsystem des Körpers transportiert, um gezielt dort anzudocken, wo sie benötigt werden. Dies sorgt zum einen dafür, dass gesunde Organe nicht mit Wirkstoff belastet werden, zum anderen auch dafür, dass die Wirkstoffmenge deutlich reduziert werden kann.

Im Rahmen des Projekts „BOW“, welches durch die EU gefördert wird und an dem 13 Universitäten und Industriepartner mitarbeiten, wird nun versucht, sogenannte „extrazelluläre Vesikel“ als Tarnmantel einzusetzen.

Extrazelluläre Vesikel sind körpereigene Transportsysteme mit einem Durchmesser von nur ca. 100 Nanometern, also millionstel Millimetern. Sie werden zwischen Organen ausgetauscht und sind als eine Art „Informationsüberträger“ zu sehen, damit Organe miteinander kommunizieren können. Ihre Hülle besteht aus Lipiden – also Fetten – die das Innere vor dem Körper abschirmen – der Körper ignoriert diese Vesikel also, das Immunsystem wird nicht aktiviert.

Die Forscherinnen und Forscher des BOW-Projekts möchten diese Vesikel nun zweckentfremden und zunächst mit magnetischen Nanopartikeln füllen. Diese Partikel haben den Vorteil, dass sie durch bildgebende Verfahren, wie z. B.  Magnetresonanztomografie, abgebildet werden können und sich somit einfach überprüfen lässt, wie sich die Partikel im Körper verbreitet haben. Hierfür besteht die Herausforderung darin, die mikroskopischen Vesikel zu öffnen, mit den Nanopartikeln zu füllen sowie wieder zu verschließen.

Aufgabe der Mainzer Forscherinnen und Forscher wird es in dem Projekt sein, die Oberfläche der Vesikel – also der getarnten Transportbehälter – so zu modifizieren, dass diese spezifisch an bestimmten Organen andocken können. „Für uns besonders interessant sind z. B. das Gehirn oder die Lunge“, sagt Svenja Morsbach, Gruppenleiterin im Arbeitskreis von Katharina Landfester am Max-Planck-Institut für Polymerforschung. „Gerade das Gehirn ist heute schwer zu erreichen: Die Blut-Hirn-Schranke verhindert natürlicherweise, dass für den Körper unbekannte Stoffe hindurchdringen können – dies können wir mit Hilfe der Tarntechnologie hoffentlich teilweise umgehen.“

Mit einem fertig entwickelten Tarnmantel, der spezifisch an Organen andocken kann, sind – abhängig vom gewählten Inhalt – sowohl diagnostische wie auch therapeutische Maßnahmen denkbar: Es können Kontrastmittel transportiert werden, die dann in bildgebenden Verfahren sichtbar werden, oder auch Medikamente, die dann an die entsprechenden Organe abgegeben werden.

Das Projekt wird von der europäischen Union im Rahmen von FET Proactive gefördert und läuft mit einer Gesamt-Fördersumme von über 4 Mio. Euro für insgesamt 4 Jahre.

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