Schräge Tropfen

Modell erlaubt die Beschreibung von rutschenden Tropfen

Das Verhalten von Tropfen auf Oberflächen ist für eine Vielzahl von Anwendungen interessant. Eigenschaften wie Geschwindigkeit, Reibung oder Form auf schrägen Oberflächen hängen jedoch von einer Vielzahl von Parametern ab – ihr Verhalten ist bis heute nicht komplett durch Theorien vorhersagbar. Forschende um Hans-Jürgen Butt vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung haben sich dieses Problems nun angenommen und ein einfaches phänomenologisches Modell entwickelt, mit dem sie die Bahn eines Tropfens exakt vorhersagen können.

Ob Tintenstrahldrucker, Solarzelle, Brille oder Kamera: Die Wechselwirkung von Tropfen und Oberflächen spielt bei einer Vielzahl von Alltagsphänomenen eine Rolle. Bei einem Tintenstrahldrucker müssen Tropfen lange an Ort und Stelle verbleiben, um einen exakten Druckpunkt zu erzeugen. Bei Solarzellen jedoch sollten Tropfen möglichst schnell abfließen und dabei Schmutz mitnehmen – ebenso bei Brillen oder Kameralinsen, auf denen Tropfen die Sicht behindern.

Wie Tropfen mit Oberflächen wechselwirken und wie sie sich darauf verhalten, ist jedoch auf mikroskopischer Ebene ein komplexer Prozess, der stark von den Eigenschaften der Oberfläche abhängt. Bis heute ist es unmöglich, die Abrollgeschwindigkeit und damit Reibung eines Tropfens auf einer Oberfläche vorherzusagen. Wasserabweisende Oberflächen sorgen eher für kugelförmige Tropfen, die wenig Reibung mit der Oberfläche zeigen. Tropfen perlenschon bei kleinen Neigungswinkeln ab. Wasserliebende Oberflächen sorgen für flache Tropfen, die große Neigungswinkel benötigen, um sich zu bewegen.

Bei der Vielzahl an Oberflächen und Flüssigkeiten, die in technologischen Anwendungen miteinander in Kontakt kommen können, haben sich Hans-Jürgen Butt, Rüdiger Berger und Kolleg*innen gefragt, wie die Wechselwirkung mit der Oberfläche und somit auch die Reibung von Tropfen möglichst universell zu beschreiben ist. Hierfür haben sie verschiedene Tropfenparameter auf inerten, d. h. nicht chemisch reagierenden, und glatten Oberfläche gemessen: Welche Geschwindigkeit hat der fließende Tropfen? Wie groß ist die Breite bzw. Länge des Tropfens? Welche Winkel schließt die Flüssigkeitsoberfläche mit der festen Oberfläche ein – und das am vorderen und hinteren Ende des Tropfens?

Indem sie das Verhalten verschiedener Flüssigkeiten, wie z. B. Wasser, Glycerin oder Silikonöl, auf verschiedenen Oberflächen, wie Silizium, Glas oder Teflon, gemessen haben, konnten die Forschenden einen Zusammenhang ermitteln. Dieser zeigt, dass sich die Reibung eines Flüssigkeitstropfens auf einer Oberfläche einzig und alleine durch einen dimensionslosen Parameter beschreiben lässt. Dieser in Kombination mit den Eigenschaften der Flüssigkeit, die durch ihre Zähflüssigkeit (Viskosität) beschrieben wird, kann die Abrollgeschwindigkeit von Tropfen vollständig beschreiben. Xiaomei Li, eine Doktorarandin, die maßgeblich an dem Projekt beteiligt war, sagt: „Als Chemikerin hätte ich niemals gedacht, dass ich die Reibung von Flüssigkeiten untersuchen werde. Als ich mit dem Projekt startete, konnte ich mir nicht vorstellen, dass sich rollenden Tropfen recht einfach mit nur einem dimensionslosen Parameter beschreiben lassen. Alles erschien mir viel komplizierter.“ Rüdiger Berger, Gruppenleiter in Butts Arbeitskreis, fügt hinzu: "Tropfen sind faszinierend. Jeder Tropfen, dem ich nun begegne, sei es in der Dusche oder beim Kochen, sehe ich in einem neuen Licht. Wie bewegt sich der Tropfen? Warum bewegt er sich und wird er irgendwo hängen bleiben?"

Ergänzt wurden die Untersuchungen durch numerische Simulation, die im Rahmen des Sonderforschungsprojekts SFB 1194 durchgeführt wurden. Diese zeigen, dass die Reibung im Flüssigkeitstropfen zu einem großen Anteil entlang der Tropfenkante zur Oberfläche stattfindet.

Mit ihrer Arbeit hoffen die Wissenschaftler*innen, in Zukunft das Verhalten von Tropfen auf Oberflächen genau vorhersagen zu können und somit auch vorhersagen zu können, welche Oberfläche für welche Anwendung am besten geeignet ist. Ihre Ergebnisse haben sie nun in der Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

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