Das Geheimnis der Schlangen

23. Oktober 2015

Ein Forscherteam des MPI-P und der Oregon State University, USA, fand heraus, warum der Bauch der kalifornischen Königsschlange so glatt ist und deshalb hervorragend auf diversen Oberflächen gleitet. Die Entdeckung dieser bisher unbekannten, evolutionären Anpassung der Schlangenhaut könnte Anregungen bei der Herstellung neuartiger wasserabweisender Lacke oder Kunststoffe bieten.

Die Untersuchung der schuppigen Schlangenhaut bis in die Molekülebene könnte eines der rutschigen Geheimnisse der kalifornischen Königsschlange gelüftet haben. Mit einer Kombination von Techniken konnte das Team die Anordnung der Moleküle auf der Hautoberfläche untersuchen. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Schuppenstruktur insbesondere auf dem Bauch der Schlange, die ein fast reibungsloses Gleiten über verschiedene Oberflächen ermöglicht, im Laufe der evolutionären Anpassung optimiert wurde, was bisher kaum Beachtung fand.

Die gefundene Struktur kann die Entwicklung neuartiger Farben, Lacke, Kunststoffe oder extrem wasserabweisender Materialien beeinflussen sowie besonders rutschige Oberflächen für schlangenartige Roboter. Ingenieure haben voll bewegliche schlangenähnliche Roboter entwickelt, die sich in ein paar Jahren wie die Originale winden und schlängeln können. Bisher gibt es durch die große Reibung allerdings noch erhebliche Probleme beim Bewegen über Oberflächen.

Jeder, der schon einmal eine echte Schlange angefasst hat, weiß, wie glatt sie sich anfühlt - eine tastbare Eigenschaft, die durch die rutschigen Schuppen, die mit körpereigenen, fettigen „lipiden“ Molekülen überzogen sind, hervorgerufen wird. Rätselhaft ist dabei allerdings, dass die Größe und Form der Schuppen am gesamten Schlangenkörper unter dem Mikroskop fast identisch sind, die Bauchseite aber viel gleitfähiger ist als der Rücken, wie zahlreiche Labormessungen ergaben.

Dieses Phänomen konnte bis jetzt nicht erklärt werden. Am 21. Oktober 2015 wurde das Geheimnis auf dem AVS International Symposium and Exposition in San Jose, Kalifornien von unserem Forscherteam gelüftet. Sie präsentierten Daten, die für die verminderte Reibung auf dem Bauch der Schlange verantwortlich sind – technisch ausgedrückt dem geringen "Reibungskoeffizienten".

Die Untersuchung der Schuppenoberflächen auf Bauch und Rücken der Schlange ergaben, dass die fettigen Lipidmoleküle auf der Bauchseite gleichförmig wie eine Armee kleiner Soldaten in Reih und Glied senkrecht zur Oberfläche angeordnet sind. Diese geordnete Gleitmittel-Grenzschicht ist verantwortlich für die reduzierte Reibung der kalifornischen Königsschlange.

"Es ist verrückt, wie gut die Moleküle angeordnet sind", sagte Joe Baio, der die Forschung an der Oregon State University leitete. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies zufällig geschieht, da der Aufbau einer gut geordneten Monoschicht harte Arbeit ist."

Wissenschaftler haben schon lange die Chemie der Schlangenschuppen untersucht, allerdings ist es erst jetzt durch die Anwendung empfindlicher Techniken gelungen, die Anordnung der Moleküle auf der Oberfläche sichtbar zu machen.

Stanislav Gorb von der Universität Kiel stellte die Schlangenhäute zur Verfügung. Die hier gezeigten Untersuchungen sind Teil einer großen Kooperation, in der die Schlangenhäute verschiedener Arten verglichen werden sollen.

Die neuen Ergebnisse legen nahe, dass die kontrollierte und geordnete Anordnung der Lipidmoleküle auf den Bauchschuppen ein besseres Gleiten und somit Jagen ermöglicht, was im Laufe der Evolution zum Überleben führte. Die Schuppen unterstützen weiterhin die Temperaturregulierung der kaltblütigen Wesen, deren Tarnung sowie möglicherweise auch die Regulierung der Wassereinlagerung.

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