Reaktionen an Grenzflächen

Reaktionen an Grenzflächen

Eine molekulare "Schraubzwinge": Grenzflächenreaktionen und Polymerisationen

130 Jahre nach Schotten und Baumann bergen Reaktionen an der Flüssig-Flüssig-Grenzfläche noch ein großes Potenzial, zumal als bequemer und vielseitiger Weg zur Herstellung von (Nano-)Materialien, die mit keiner anderen Technik zugänglich sind.

In unserer Abteilung untersuchen wir die Polymerisation (Ketten- und Stufenwachstum) an der Schnittstelle zwischen hydrophilen und hydrophoben Flüssigkeiten, hauptsächlich in (Mini)Emulsionen. An der Tröpfchengrenze treffen sich Monomere aus beiden Phasen und reagieren zu einem Polymer, das in beiden Phasen unlöslich ist und so eine Hülle um einen flüssigen Kern herum bildet. Der flüssige Kern kann Wasser oder jedes andere hydrophile organische Lösungsmittel sein, das in einer inerten organischen kontinuierlichen Phase dispergiert ist. Typischerweise wurden auf diese Weise Polyadditionsreaktionen, wie die Erzeugung von Polyurethanen aus Di- oder Polyolen und Diisocyanaten, oder in jüngster Zeit bio-orthogonale Polyadditionen, wie beispielsweise Alkin-Azid-Klickreaktionen oder Polykondensationen, durchgeführt. Neben Polyurethan-Kapseln, die durch eine Polyadditionsreaktion erhalten werden, können auch Poly(cyanacrylat)-Nanokapseln durch grenzflächenaktive anionische Polymerisation erzeugt werden oder es kann eine Polykondensation von Alkoxysilanen durch wässrige Hydrolyse durchgeführt werden. Durch diese Reaktionen können lineare, verzweigte oder vernetzte Polymere erhalten werden, die die Hülle des jeweiligen Nanoträgers bilden. In diesem Forschungsgebiet kombinieren wir klassische Polymerisationsstrategien mit neuen Anforderungen: Biokompatibilität, Wirkstoffabgabe, Nachhaltigkeit und Selbstheilungseigenschaften.

Die molekulare "Schraubzwinge" wird an der Schnittstelle erzeugt und zwingt beide Reaktionspartner zur Reaktion. Dies ermöglicht es uns, Reaktionen durchzuführen, die nicht in homogener Lösung durchgeführt werden können. So benötigen beispielsweise Alkin-Azid-Klickreaktionen in der Regel Kupferkatalysatoren, die unter heterogenen Bedingungen nicht notwendig sind, da die Grenzfläche, d.h. die räumliche Nähe der beiden Komponenten, die Reaktion fördert. Diese Technik ermöglicht es uns, bioaktive oder empfindliche Moleküle wie Enzyme, Vitamine, DNA oder Proteine in das Innere der Nanokapseln einzukapseln, welche die Metallkatalyse oder die harten Reaktionsbedingungen anderer Polymerisationstechniken nicht überstehen würden, wie die oben genannte Polyaddition mit Isocyanaten. Durch die Anwesenheit der Polymerschale ist die "Ladung" gegen das organische Lösungsmittel von außen geschützt, das leicht gegen Wasser ausgetauscht werden kann. Dies führt zu wässrigen Dispersionen, die für die Verabreichung von Medikamenten oder anderen biomedizinischen Anwendungen wie der Enzymerkennung vielversprechend sind. Für die Wirkstoffabgabe können biologisch abbaubare oder schaltbare Materialien wie Polysaccharide verwendet werden, die die Biokompatibilität des Nanoträgers und den Abbau in vivo gewährleisten.

Darüber hinaus bietet die riesige Tröpfchenoberfläche in einer Miniemulsion eine hervorragende Umgebung für die Grenzflächenkatalyse. Die enzymatische Synthese kleiner Moleküle kann ebenso gut als Metathesereaktion, Erzeugung oder Vernetzung von Polymeren durchgeführt werden.

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