Raffaello Potestio erhält einen ERC Starting Grant für das Projekt VARIAMOLS

5. Oktober 2017

Der Europäische Forschungsrat (ERC) unterstützt das Projekt „Variable Auflösungsalgorithmen für makromolekulare Simulationen – VARIAMOLS“ von Dr. Raffaello Potestio mit einem ERC Starting Grant in Höhe von 1,4 Millionen Euro. Der Gruppenleiter des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (MPI-P) will neue Techniken entwickeln und anwenden, um ein großes Biomolekül, wie ein Protein oder eine Anordnung von mehreren Proteinen, mit zugleich chemisch genauen und rechnerisch effizienten Modellen darzustellen. Das Projekt wird am Physik-Department der Universität Trient, Italien durchgeführt und soll am 1. Januar 2018 beginnen.

Große Biomoleküle wie Proteine und Proteinkomplexe zeichnen sich durch ihre einzigartige Funktionalität aus: Sie können chemische Reaktionen katalysieren, Atome und Moleküle über die Zellmembran transportieren, sich an Fremdkörper binden, um zerstört zu werden oder sich in große molekulare Maschinen verwandeln, die eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben ausführen.

Die Kenntnis, wie so große molekulare Gruppen funktionieren, ist nicht nur wichtig für das grundlegende Verständnis der Funktionalität, sondern auch eine einzigartige Inspirationsquelle für die Gestaltung von maßgeschneiderten künstlichen molekularen Systemen für unterschiedliche Nutzungsfelder wie Medizin oder Chemie.

Eines der herausragenden Probleme bei der Simulation dieser Makromoleküle ist, dass der Rechenaufwand für die Verwendung von genauen atomistischen Modellen dramatisch mit der Größe der Systeme zunimmt. Vereinfachte, gröbere Darstellungen bieten zwar eine elegante und effektive Alternative zu hochauflösenden Modellen und ermöglichen die Simulation großer Systeme; sie haben jedoch den Nachteil, dass die fehlende chemische Genauigkeit in der Berechnung dazu führt, dass die realistische Wiedergabe interessanter Eigenschaften nur begrenzt möglich ist. Bisher wurden Multiskalenmethoden entwickelt, um diese Herausforderung anzugehen, aber das Schlüsselproblem, ein komplexes Makromolekül aus hunderttausend und mehr Atomen genau und effizient zu modellieren, ist noch nicht gelöst.

Das VARIAMOLS-Projekt zielt darauf ab, diese Lücke durch die Entwicklung neuartiger computergestützter Methoden zu überwinden. Dies soll durch eine Bottom-up-Modellierungsstrategie erreicht werden, bei der das System selbst bestimmt, welche Teile vereinfacht werden können und bis zu welchem Grad dies möglich ist. Im Gegensatz zu den bisherigen Multiskalenmethoden variiert die Auflösung des Makromoleküls durch die gesamte Struktur, wobei sie in Abhängigkeit von den lokalen Eigenschaften mehr oder weniger detailliert ist. Hierdurch wird das Gleichgewicht zwischen Detail und Effizienz optimiert. „Diese Methode ermöglicht einen tieferen Einblick, wie wichtige biologische Makromoleküle ihre Funktion durch konzertierte Bewegungen ausführen. Auf lange Sicht sollen die Ergebnisse meiner Arbeit dazu beitragen, die Entwicklung von antiviralen und Antikörper-basierten Medikamenten zu verbessern“, erklärt Raffaello Potestio.

Raffaello Potestio arbeitet seit 2013 als Projektleiter am MPI für Polymerforschung in Mainz im Arbeitskreis „Theorie der Polymere“ von Prof. Dr. Kurt Kremer. Er beschäftigt sich damit, Rechenmethoden zu entwickeln und anzuwenden, die es ermöglichen, organische Materialien im Allgemeinen und insbesondere  biologische Systeme effizient zu untersuchen. Besondere Aufmerksamkeit gilt den zugrundeliegenden mechanischen und thermodynamischen Eigenschaften dieser Systeme. Mit der Einwerbung des ERC Starting Grants leitet Raffaello Potestio einen weiteren wichtigen Schritt seiner wissenschaftlichen Karriere ein. An der Universität von Trient wird der Nachwuchswissenschaftler seine erste unabhängige Arbeitsgruppe leiten. „Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung von Raffaello Potestio, und darüber, dass er die wissenschaftlichen Grundlagen für sein Projekt während seiner Forschung am MPI-P entwickelt hat“, sagt Prof. Kurt Kremer. „Wir wollen auch in Zukunft durch Kooperationen eng miteinander verbunden bleiben.“

Zur Person

Raffaello Potestio beendete sein Physikstudium an der Universität Rom "La Sapienza" im Jahr 2006 mit einer Masterarbeit über die Gitter-Quantenchromodynamik unter der Leitung von G. Martinelli. Im selben Jahr schrieb er sich für einen Promotionsstudiengang für Statistische Physik an der International School for Advanced Studies (SISSA-ISAS) in Triest ein. Im Jahr 2010 schloss er seine Doktorarbeit über grobkörnige Modelle der Proteinstruktur und Interaktionen ab, die von C. Micheletti betreut wurde. Im November 2010 wechselte er als Postdoktorand in die Abteilung von Prof. Kurt Kremer an das MPI-P. Im August 2013 wurde er dort Projektleiter der Gruppe „Statistische Mechanik der Biomoleküle“.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht