Wie gleiten Wassertropfen über Oberflächen?

8. November 2017

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung haben Reibung von Flüssigkeitstropfen auf Oberflächen untersucht. Um ruhende Flüssigkeitstropfen in Bewegung zu versetzen, benötigt man eine höhere Kraft, als sie in Bewegung zu halten. Dieses Verhalten kennt man bereits von Festkörpern auf Oberflächen. Für Flüssigkeiten wurde es erst jetzt analysiert.

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Auto und fahren auf der Autobahn. Plötzlich beginnt es zu regnen. Haben Sie sich dabei schon mal die Tropfen auf der Windschutzscheibe angeschaut? Wahrscheinlich ist Ihnen dann aufgefallen, dass sich die Tropfenform und ihre Beweglichkeit mit Ihrer Fahrge­schwindigkeit ändern. Fahren Sie langsam, bleiben die Regentropfen auf der Windschutzscheibe haften. Fahren Sie jedoch schneller, beginnen sich die Regentropfen über die Windschutzscheibe zu bewegen. Sehen Sie genau hin, werden Sie bemerken, dass sich auch die Tropfenform ändert. Aus den statischen, länglichen werden zunehmend rundere Tropfen, wenn diese über die Oberfläche gleiten. Ein Team aus Wissenschaftlern des MPI für Polymerforschung hat nun untersucht, welche Kräfte notwendig sind, um Flüssigkeitstropfen in Bewegung zu versetzen, und welche Kräfte notwendig sind, diese in Bewegung zu halten. Hinweis: Die Beobachtung sollte nur der Beifahrer machen.

Um die Reibungskräfte zwischen einem Flüssigkeitstropfen und einer festen Oberfläche zu untersuchen, wurde ein spezielles Messgerät entwickelt. Das Ende einer dünnen Glasfeder haftet in dem Tropfen, der auf der Oberfläche ruht. Bewegt man die Oberfläche lateral (d.h. seitwärts), so verbiegt sich die Feder. Diese Verbiegung lässt sich mittels eines Laserstrahls und eines lichtsensitiven Detektors bestimmen. Aus der Verbiegung und der Federkonstante der Glasfeder lässt sich die Reibungskraft berechnen, die die relative Bewegung der Oberfläche und des Flüssigkeitstropfens hervorruft. Wir filmten die Tropfenform mit zwei Hochgeschwindigkeitskameras, um gleichzeitig die Form und die Kontaktwinkel des Flüssigkeitstropfens zu messen.

Mit diesem Aufbau konnte die zeitliche Entwicklung der Reibungskraft beim Übergang des Tropfens vom ruhenden in den gleitenden Zustand gemessen werden. Charakteristisch ist, dass eine Kraftschwelle überwunden werden muss, um einen Flüssigkeitstropfen in Bewegung zu versetzen. Analog zur Reibung zwischen zwei Festkörpern, lassen sich Haft- und Gleitreibung unterscheiden: der Bereich der kontinuierlich ansteigenden Haftreibung mit einer maximalen Haftreibung und der Bereich der langfristig stationären Roll- oder Gleitreibung. Im Unterschied zu Festkörpern lässt sich für Tropfen die Roll- und Gleitreibung nicht so klar trennen. Rollende Tropfen können auch gleichzeitig gleiten. Das Zusammenspiel von Roll- und Gleitreibung resultiert aus der Beweglichkeit der Moleküle im Tropfen.

Je nach der chemischen Beschaffenheit der Oberflächen und ihrer Mikrostruktur ist der Unterschied zwischen Haft- und Gleitreibung verscheiden ausgeprägt. Sind beispielsweise die Oberflächen flach und chemisch ähnlich zur Flüssigkeit zeigt sich nur ein minimaler Unterschied zwischen der maximalen Haft- und Gleitkraft. Diese Oberflächen können ähnlich rutschig sein, wie eine nasse, schmierige Fahrbahn.

Die Oberfläche von Entenfedern ist mikrostrukturiert. Auf diesen Oberflächen gleiten Wassertropfen ruckartig, wobei die Gleitkraft bei zunehmender Geschwindigkeit des Wassertropfens konstant bleibt. Wir spekulieren, dass dies für Enten oder auch andere Wasservögel eine Rolle spielt, wenn sie durch Wasser gleiten oder Wasser aus dem Gefieder schütteln, wenn sie zum Beispiel zum Flug abheben.

Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen neue spannende physikalische Eigenschaften von Flüssigkeitstropfen und wurden im Fachmagazin Nature Physics veröffentlicht.

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