Von Grenzflächen und Vereiser-Proteinen

19. November 2013

Die Biomaterials Interface Division der US-amerikanischen wissenschaftlichen Gesellschaft AVS hat Tobias Weidner, Projektleiter am Max-Planck-Institut für Polymerforschung den Early Career Investigator Award verliehen. Weidner nahm die Ehrung auf dem 60. Internationalen Symposium der AVS (engl: „AVS 60th International Symposium“) entgegen, dass vom 27.10. bis 1.11. 2013 in Long Beach, CA (USA) abgehalten wurde. 
Weidners wissenschaftlicher Ehrgeiz richtet sich auf biologische Makromoleküle, hauptsächlich Proteine. Von Haus aus Physiker, beschäftigt er in seiner Gruppe Biologen, Chemiker und Biochemiker, um über die Grenzen der Disziplinen hinweg die Struktur und Dynamik der aus Aminosäuren kombinierten Biomoleküle zu erforschen. Weidner misst mit spektroskopischen Methoden, wie sich die Eiweiße strukturieren und welche Anpassungen sie vornehmen, um mit ihrer Umgebung zu interagieren. Mit hintereinander geschalteten Laserimpulsen im Femtosekundentakt bringt er seine Untersuchungsobjekte zum Schwingen und misst dabei ihre Bewegungen, die sich wie bei einem Stroboskop zwischen den ultrakurzen Energiestößen offenbaren. Ein Stichwort ist die Biomineralisation: Prozesse, die etwa Knochen, Zähne oder Korallen nach exakt von Proteinen choreographierten Abläufen entstehen lassen. Neben der Synthese von Mineralen gelingt es Eiweißen auch Grenzflächen zu manipulieren. Sie zerstören Zellwände oder verstärken sie. Zellgifte, die bestimmte Bakterien produzieren, sind oft komplexe Eiweißkonstrukte, aber gleichzeitig auch medizinisch wertvoll. Wieso? Weidner sucht die Gründe dafür auf atomarer Ebene.

Eine Verflechtung aus Mineralisation und Manipulation ist die proteingetriebene Entstehung von Eis. Nicht Weidners priorisiertes Erkenntnisinteresse, eher ein Thema am Rande, und dennoch: Inspiriert vom Vortrag des Geochemikers Ulrich Pöschl (MPI für Chemie), der den Einfluss von Bakterien auf das Klima erklärte und dabei die Rolle von Proteinen hervorhob, wollte Weidner die dabei bisher unbeachtet gebliebenen molekularen Vorgänge untersuchen. Die Laserimpulse verrieten, dass die Proteine bei Temperaturen um den Gefrierpunkt die Wassermoleküle scheinbar einschläferten und ihnen Vampiren vergleichbar die Energie aussaugten. Nur die Ankündigung seines Vortragsthemas erregte bereits Aufmerksamkeit. 

Denn die Auswirkungen dieser Erkenntnisse sind weitreichend; finden sich die proteinabsondernden Bakterien doch in nahezu allen Gefilden des Planeten. Evolutionär gesehen, ebnen die „Vereiser-Proteine“ den Bakterien möglicherweise einen universalen Weg sich zu verbreiten. Offen ist, Weidners nächste Mission, was sich genau in den Proteinen bei Temperaturen nahe des Celsius-Nullpunktes abspielt und warum sie ihr Verhalten von einem Grad auf den anderen verändern.

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