Autoreifen der Zukunft: Wie funktioniert die Spannungsverhärtung in Polymer-Verbundwerkstoffen?

24. Mai 2017

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (MPI-P) haben entschlüsselt, wie sich die linearen und nichtlinearen mechanischen Eigenschaften in Polymer-Verbundwerkstoffen – Polymeren mit zusätzlichen Füllstoffen – einzeln beeinflussen lassen. Die Menge der Füllstoffe reguliert hierbei, wie ausgeprägt die Spannungsverhärtung des Materials ist. Die Ergebnisse ermöglichen es, maßgeschneiderte Materialien zu entwerfen, beispielsweise für Autoreifen, um sowohl zyklische als auch statische Lasten tragen zu können.

Autoreifen unterliegen einer Vielzahl unterschiedlicher Materialbelastungen. Durch ihre lineare Elastizität halten Reifen kleinen Verformungen stand und können geringe zyklische Lasten aushalten. Sie müssen allerdings auch große Stöße abfedern, die zum Beispiel auftreten, wenn ein Auto über Temposchwellen oder Bordsteine fährt. Deshalb ist es wichtig, dass das Material zudem nichtlineare, elastische Eigenschaften besitzt.

Wie werden die Autoreifen der Zukunft entwickelt?

Die Optimierung der mechanischen Eigenschaften von Polymer-Verbundwerkstoffen erfolgt bisher nach dem Trial-and-Error-Prinzip. Insbesondere die Spannungsverhärtung, wie sich ein Material unter starker Verformung verfestigt und damit widerstandsfähiger wird, geschieht derzeit nur durch Ausprobieren. Der Zusammenhang zwischen den linearen und nichtlinearen Materialeigenschaften und der Menge und Größe der jeweiligen Füllstoffpartikel war bisher ungeklärt. Im Wissenschaftsjournal Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States veröffentlichte nun ein Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Sapun Parekh, Projektleiter am MPI-P, wie sich die elastischen Eigenschaften von Verbundwerkstoffen präzise entwerfen lassen.

Dr. Parekh und seine Mitarbeiter nutzten verschiedene Methoden, um die Füllstoffmenge und die Ausrichtung der Polymerketten zu quantifizieren, unter anderem Transmissionselektronenmikroskopie sowie molekulare Spektroskopie für Echt-Zeit-Analysen während der mechanischen Verformung. Theoretische Modellierungstechniken halfen dabei, die experimentellen Ergebnisse zu deuten. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die nichtlineare Spannungsverhärtung in Verbundwerkstoffen, vermittelt durch Polymerkettenausrichtung, nur mit der Menge der Partikel variiert, nicht aber im Hinblick auf deren Größe. Über die Menge der Füllstoffe können Ingenieure somit nun zunächst die nichtlineare Elastizität einstellen. Danach lässt sich die gewünschte lineare Dehnbarkeit unter Verwendung entsprechend großer Füllstoffe regulieren.

Was sind Verbundwerkstoffe?

Verbundwerkstoffe bestehen aus einem flexiblen, weichen Material, das mit sehr harten Partikeln, etwa Glas, kombiniert wird. Zusammengemischt bilden die verschiedenen Bestandteile sogenannte Verbundwerkstoffe und ihre mechanischen Eigenschaften sind denen der einzelnen Komponenten überlegen. Diese verbesserten Merkmale können beispielsweise eine höhere Elastizität oder Leitfähigkeit sein, aber auch ein geringeres Gewicht. Bestenfalls sorgt eine Materialeinsparung für einen günstigeren Preis. Je nachdem, wofür das Material später genutzt wird, lassen sich die Eigenschaften gezielt variieren. Verbundwerkstoffe werden häufig im Flugzeugbau oder auch als Dichtungsmittel in Verbrennungsmotoren eingesetzt.

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