Sind Piezoelektrika gut für die Stromerzeugung?

Vielleicht, aber wir müssen entscheiden, wie wir sie bewerten wollen.

16. März 2023

Wissenschaftler*innen haben ein "Best-Practice"-Protokoll für Forschende entwickelt, die piezoelektrische Materialien entwickeln - eine Premiere in diesem zukunftsweisenden Technologiebereich.

Das Protokoll wurde von einem internationalen Team unter der Leitung von Physiker*innen der University of Bath entwickelt, nachdem festgestellt worden war, dass experimentelle Berichte nicht konsistent sind. Die Forschenden machten die schockierende Entdeckung, dass in neun von zehn wissenschaftlichen Veröffentlichungen experimentelle Informationen fehlen, die für die Reproduzierbarkeit der berichteten Forschungsergebnisse entscheidend sind. In der Zeitschrift Nano Energy erörtern sie die dringende Notwendigkeit eines standardisierten Forschungsprotokolls zur Piezoelektrizität.

Dr. Morteza Hassanpour Amiri vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung, und Erstautor der Studie, sagt: "Die Forschung im Bereich der Piezoelektrizität hat sich in den letzten Jahren beschleunigt, und das aus gutem Grund: Piezoelektrische Materialien erzeugen Elektrizität, wenn man Druck oder mechanische Vibrationen ausübt, sie antippt oder verformt. In Verbindung mit einem Schaltkreis kann dieser Strom gespeichert und dann genutzt werden.“

Hoher Wirkungsgrad bei der Energiespeicherung

Aufgrund des enormen Potenzials der Piezoelektrik wurden in den letzten 20 Jahren immer wieder neue Materialien und Verbundwerkstoffe entwickelt und auf ihr Energiegewinnungspotenzial hin getestet, wobei viele von ihnen einen hohen Wirkungsgrad versprechen.

Die Forschenden aus Bath unter der Leitung von Professor Kamal Asadi vom Fachbereich Physik, einem ehemaligen Gruppenleiter am MPI-P, weisen jedoch darauf hin, dass diese Ergebnisse - die manchmal in hochrangigen Fachzeitschriften veröffentlicht werden - häufig keine Angaben zu den wichtigsten experimentellen Parametern enthalten. Diese Angaben sind wichtig, um die Reproduzierbarkeit zu gewährleisten, wenn andere Forschungsteams die vorgestellten Materialien unabhängig bewerten oder weiter verbessern wollen.

Professor Asadi erklärt: "Die Reproduzierbarkeit von experimentellen Forschungsergebnissen ist vielleicht nicht der Schlüssel zum Erfolg einer Forschung, aber sie ist der Schlüssel, um auszuschließen, dass unzuverlässige Ergebnisse als Fakten akzeptiert werden. Der Enthusiasmus bei der Entwicklung eines Champion-Materials, das beeindruckende Leistungen zeigt, sollte mit genügend unterstützenden Daten einhergehen".

Die Wissenschaftler*innen des MPI-P haben demonstriert, wie ein Mobiltelefon mit piezoelektrischen Materialien aufgeladen werden kann.

Für die Studie werteten die Forschenden aus Bath 80 zufällig ausgewählte Forschungsarbeiten aus, die in den letzten zwei Jahrzehnten über piezoelektrische Energiegewinnungsgeräte veröffentlicht wurden. Bei fast 90 % dieser Arbeiten fehlten wesentliche experimentelle Parameter, die für die Bewertung von Materialien und Geräten erforderlich sind, so dass die Experimente nur schwer oder gar nicht reproduzierbar waren.

Die Bedeutung der Reproduzierbarkeit

Professor Asadi führt weiter aus: "Es gibt drei wichtige Gründe, warum die Reproduzierbarkeit wichtig ist: Wir sind Wissenschaftler*innen und sollten uns bemühen, so genau wie möglich zu sein; wir haben nur begrenzte Ressourcen, also helfen wir unseren Kolleg*innen, auf unseren Ergebnissen aufzubauen und das Feld voranzubringen, indem wir alle notwendigen Parameter angeben, die die Reproduzierbarkeit garantieren; indem wir transparent sind, bauen wir auch Vertrauen in der Öffentlichkeit, bei Wissenschaftsförderungsorganisationen und politischen Entscheidungsträgern auf und bieten eine bessere Orientierung für künftige 'große' Entscheidungen, die uns alle betreffen können." Professor Asadi, ein führender Experte auf dem Gebiet der Piezoelektrizität, ist der Ansicht, dass der Mangel an Daten den Fortschritt auf diesem Gebiet behindert, da die Forschenden nicht auf die Literatur zurückgreifen können, um die Materialien mit dem besten Gewinnungspotenzial zu ermitteln und diese vielversprechenden Materialien dann weiter zu entwickeln.

Neues Protokoll

Das neue Bath-Protokoll schlägt eine standardisierte Datenerfassung und Berichterstattung vor. Professor Chris Bowen von der Fakultät für Maschinenbau in Bath, der ebenfalls an dieser Studie beteiligt war, sagte dazu: "Wir haben im Grunde genommen Richtlinien erstellt, die den Forschern auf ihrem Gebiet der Piezoelektrizität hilfreich sein werden." Professor Asadi hofft, dass elektronische Geräte, die mit Piezoelektrizität betrieben werden, innerhalb der nächsten 10 Jahre auf dem Markt sein werden.

"Deshalb ist es wichtig, ein standardisiertes Protokoll für die Erfassung von Forschungsdaten zur quantitativen Bewertung von Materialien und Geräten zur Energiegewinnung zu haben. Auf diese Weise können Wissenschaftler*innen echte Fortschritte erzielen, indem sie auf den Experimenten der anderen aufbauen und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten: die Piezoelektrizität zu einer Realität für alle zu machen, die ihre Geräte nachhaltiger und ohne Abhängigkeit von einer herkömmlichen Energiequelle aufladen wollen."

Er fügte hinzu: "Das Feld der piezoelektrischen Energiegewinnung ist ein wirklich spannendes Feld, es hat viel Potenzial und großartige Wissenschaftler*innen arbeiten daran, aber es ist noch jung. Um sicherzustellen, dass wir so gut und so schnell wie möglich vorankommen, ist es entscheidend, dass die Experimente reproduzierbar sind, daher hoffe ich, dass unser vorgeschlagenes Protokoll von der gesamten Gemeinschaft angenommen wird.“

Das neue Protokoll wird in dem Papier "Piezoelectric energy harvesters: A critical assessment and a standardized reporting of power-producing vibrational harvesters" beschrieben.

Die an dieser Studie beteiligten Physikstudent*innen der Universität Bath waren Rose Fatscher und Rebecca Taylor. Die Arbeit war Teil der Doktorarbeit von Dr. Morteza Hassanpour Amiri und wurde in Zusammenarbeit mit Professor Paulo Rocha von der Universität Coimbra, Portugal, durchgeführt.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht