Verdampfungsprozess eines Wassermoleküles

2. Dezember 2015

Damit ein Wassermolekül seinen benachbarten Bindungspartnern in einer Flüssigkeit entkommen kann, ist eine zeitlich exakt abgestimmte und koordinierte Choreografie von mindestens drei Molekülen notwendig. Dies zeigen aktuelle Simulationen des Verdampfungsprozesses von Wasser.

Mainz. Um ein Wassermolekül zum Verdampfen zu bringen, benötigt es eine besondere und sehr spezifische Folge von molekularen Bewegungen, wie Dr. Yuki Nagata und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P) in Mainz zeigen. Computersimulationen weisen darauf hin, dass das Verdampfen eines Moleküls, d.h. dessen Übergang vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand, die Unterstützung von zwei weiteren Molekülen erfordert. Das bessere Verständnis des Wasserverdampfungsprozesses könnte Wissenschaftler bei der Modellierung atmosphärischer Prozesse und bei der Erforschung des Klimawandels helfen. Die Ergebnisse dieser Simulationen wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.

Mit ihren Berechnungen veranschaulichen Nagata und seine Kollegen den Verdampfungsprozess. Sie führten Computersimulationen der Wasser/Luft Grenzfläche durch und schauten sich „Filme“ der virtuellen flüssigen Wassermoleküle an. Dabei stellten sie Folgendes fest: Das Herausschleudern eines Wassermoleküles aus der Oberfläche der Flüssigkeit setzt das Zusammenspiel mehrerer Wassermoleküle voraus. 

In flüssigem Wasser bindet sich ein Wassermolekül typischerweise an drei oder vier andere Moleküle durch starke Wasserstoffbindungen. An der Oberfläche verringert sich diese Anzahl. Zum Verdampfen muss sich ein Molekül noch von mindestens einer Wasserstoffbindung trennen. Dies erfordert jedoch viel Energie. Wie können Wassermoleküle dann genügend Energie zum Verdampfen gewinnen, um die starken Wasserstoffbindungen zu brechen? Zur Beantwortung der Frage betrachteten die Forscher in ihren Simulationen Moleküle beim Verdampfen und untersuchten ihre Bewegungsprofile. Sie fanden heraus, dass ein herausgeschleudertes Molekül seine kinetische Energie jeweils durch eine bestimmte Abfolge von Zusammenstößen mit zwei anderen Molekülen gewann. Kurz vor dem Herausschleudern aus der Flüssigkeit fand immer eine heftige Kollision mit einem sich schnell bewegenden Molekül statt. Weitere Untersuchungen zeigten, dass dieses sich schnell bewegende Molekül stark mit einem dritten Molekül interagierte. Diese kollektive Bewegung der drei Moleküle geschah Femtosekunden (eine Femtosekunde ist der billiardste Teil einer Sekunde) vor dem Verdampfungsprozess und die zeitliche Abstimmung war dabei entscheidend. Der Verdampfungsprozess ist daher mit einem Kugelstoßpendel vergleichbar, bei dem der Impuls gezielt von unten auf die Oberfläche übertragen wird, um ein Wassermolekül anzustoßen.

Diese neuen Erkenntnisse zur Wasserverdampfung auf molekularer Ebene sind wichtig für die Modellierung atmosphärischer Prozesse. Sie könnten sogar dazu beitragen, Strategien zur Reduzierung unerwünschter Verdampfung zu entwickeln.

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