SAPs4Tissue gestartet 

Menschliche Gewebemodelle mit maßgeschneiderten Biomaterialien

4. April 2023

Menschliche Gewebemodelle statt Tierversuche? Was für manche Fragestellungen schon möglich ist, steht für komplexere Zusammenhänge und Anwendungen immer noch vor größeren Hürden. In einem gemeinsamen Projekt des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung, Mainz, und des Translationszentrums für Regenerative Therapien am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC, Würzburg, sollen wissenschaftliche Grundlagen und Biomaterialien für die standardisierte Herstellung von validen Gewebemodellen erarbeitet werden.    

Die moderne Medizin setzt in der präklinischen Wirkstoffentwicklung zunehmend auf dreidimensionale menschliche Gewebemodelle. Diese stellen eine ethisch unproblematische und oft wissenschaftlich aussagekräftigere Alternative zum Tierversuch dar. Eine wichtige Voraussetzung für den sicheren Einsatz bei Risiko- und Wirksamkeitstests von Medikamenten ist jedoch, dass diese Modellsysteme dem menschlichen Gewebe morphologisch und in Bezug auf die jeweilige Funktionalität möglichst nahekommen.

Genau hier setzt das Projekt SAPs4Tissue an: mit Hilfe geordneter molekularer Eiweißbausteine, den sogenannten Peptidnanofibrillen (SAPs), werden in Kombination mit biologischen Polymeren physiologische Umgebungsbedingungen der Zelle simuliert. Die menschlichen Zellen sehen sozusagen ihr »natürliches Umfeld«, die sogenannte extrazelluläre Matrix, eine weiche Biopolymermatrix, die sie umgibt. Zusätzlich werden die molekularen Bausteine mit chemischen Gruppen versehen, die es erlauben, die Materialeigenschaften mit Hilfe externer Signale, wie zum Beispiel Licht oder dem pH-Wert, gezielt zu beeinflussen. Auf dieser resultierenden Gerüststruktur sollen im Rahmen der Studien menschliche Stammzellen zu spezialisierten Zellen umgewandelt und als funktionale Gewebe wie z. B. dem Darm gezüchtet werden, so die Hoffnung der Forschenden. Dies ist durch Methoden des sogenannten »Tissue Engineerings« möglich, ein interdisziplinäres Arbeitsgebiet, das Prinzipien aus dem Ingenieurwesen und der Biowissenschaft zur gezielten Gewebezüchtung anwendet. Im Rahmen des Projekts werden außerdem auch die Zusammenhänge zwischen molekularer Signatur, dreidimensionaler Struktur und gewebespezifischer Funktion systematisch untersucht.

Die Projektleiter, Dr. Christopher Synatschke, Dr. Tanja Weil (MPI-Polymerforschung), Dr. Marco Metzger und Dr. Daniela Zdzieblo (Fraunhofer ISC) sind zuversichtlich: »Die Zusammenführung der Kernkompetenzen Biomaterialien, Stammzellbiologie und Tissue Engineering wird eine völlig neue Klasse an Gerüststrukturen hervorbringen, die den standardisierten Aufbau unterschiedlicher menschlicher Gewebe erlaubt.« Ein Erfolg der Arbeit würde nicht nur die Grundlagenforschung im Bereich der Gewebe- und Krankheitsentstehung weiter beflügeln, sondern hätte auch eine erhebliche sozio-ökonomische Relevanz durch den Ersatz von Tierversuchen und durch effektivere präklinische Prüfverfahren, die sich unmittelbar positiv bei den Kosten für das Gesundheitssystem bemerkbar machen.


Das Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P) ist ein international führendes Forschungszentrum auf dem Gebiet der Polymerforschung. Durch die Fokussierung auf weiche Materie und makromolekulare Materialien ist das MPI-P mit seiner Forschungsausrichtung weltweit einzigartig. Seine Aufgabe ist es, neue Polymere herzustellen und zu charakterisieren. Diese Polymere können zur Lösung drängender Probleme der Gesellschaft im Bereich Energie, Nachhaltigkeit und Medizin beitragen. Das MPI-P wurde 1984 gegründet und es beschäftigt derzeit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem In- und Ausland, von denen die große Mehrzahl mit Forschungsaufgaben befasst ist.

Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC (Leitung Prof. Dr. Gerhard Sextl) ist eines der führenden FuE-Zentren für materialbasierte Forschung und Entwicklung in den Bereichen Ressourceneffizienz, Energie, Umwelt und Gesundheit. Mit rund 400 Wissenschaftlern und Technikern arbeitet das Institut daran, innovative Funktionsmaterialien und Technologien für nachhaltigere Produkte mit weniger Ressourceneinsatz zu entwickeln und wesentliche Beiträge zur Lösung der großen globalen Fragen und Herausforderungen der Zukunft zu leisten. Mit dem Mutterinstitut und dem Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien in Würzburg sowie dem Zentrum für Hochtemperaturwerkstoffe und -design HTL in Bayreuth verbindet das Fraunhofer ISC erstklassige materialwissenschaftliche Kompetenz mit langjähriger Erfahrung in der Materialverarbeitung, der industriellen Anwendung und dem Upscaling von Produktions- und Prozesstechnologien in den Pilotmaßstab sowie in der Materialanalytik und -charakterisierung. Mit einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit ist das Institut ein starker F&E-Partner für Industriepartner und unterstützt mit seinen Entwicklungen weniger Ressourcenverbrauch und verantwortungsvolle Produktion.

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