Mit dem eigenen Immunsystem schneller und effektiver gegen Tumore kämpfen
Entwicklung eines neuen Mechanismus zur Funktionalisierung von Nanokapseln
Es ist ein neuer Ansatz für die Bekämpfung von Tumoren: Dem menschlichen Immunsystem beizubringen, Tumore selbst zu bekämpfen. Hierfür ist es wichtig, gezielt Zellen des Immunsystems anzusprechen und sie zu trainieren. Der Prozess der gezielten Adressierung ist bisher jedoch langwierig und teuer. Forschende des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung haben daher ein neues Verfahren entwickelt, um die Anbringung einer Art “Adressetikett” an Wirkstoffträgern zu vereinfachen. Dies könnte den Prozess des Trainings in Zukunft vereinfachen und Tumortherapie effektiver machen.

Tumore sind wahre Künstler im Verstecken: Unbemerkt vom Immunsystem können sie im Körper wachsen, bis sie irgendwann durch eine Untersuchung entdeckt werden. Ein neuer Ansatz ist es, das Immunsystem gezielt zu trainieren, damit bereits kleinste Tumore entdeckt und zerstört werden.
Wichtiger Baustein des Immunsystems sind hier dendritische Zellen - eine Art “Mini-Datenbank", die die Immunabwehr steuert. Gelingt es also, Tumormerkmale in diese Datenbank “einzutragen”, kann das Immunsystem reagieren. Die notwendige Technologie wird im Labormaßstab hierfür immer weiter verfeinert: Sogenannte “Nanoträger” erhalten genetisches Material des Tumors, welches sie an die dendritischen Zellen ausliefern.
Besonders hierbei ist, dass die Oberfläche der Nanoträger so mit Antikörpern beschichtet ist, dass sie mit einer Art „Schlüssel-Schloss-Mechanismus“ gezielt an dendritischen Zellen andocken können - sie erhalten also eine Art Adressetikett. Dies erlaubt es, die Dosis an Nanoträgern deutlich zu reduzieren und damit Nebenwirkungen vergleichsweise gering zu halten.
Jedoch hat diese Methode einen Nachteil: Die Anbindung solcher Antikörper an Nanoträger ist zeitintensiv und teuer – denn hierfür ist eine Modifikation der Antikörper notwendig die ihn in der richtigen Orientierung anbindet. Nur so kann die Aufnahme in andere Zellen als die gewünschten dendritischen Zellen verhindert werden.
Forschende am Max-Planck-Institut für Polymerforschung haben nun eine neue Methode entwickelt, in der keine Antikörper mehr verwendet werden, sondern sogenannte “Nanokörper”. Diese bestehen ausschließlich aus der Region des Antikörpers, die für die Anbindung an die Zelle ist. Der Rest des Antikörpers, der vorher eine langwierige Modifikation erfordert hat, fällt weg. Zusätzlich ist - anders als bei den Antikörpern - in den Nanokörpern bereits eine endständige schwefelhaltige Cystein-Gruppe vorhanden – diese ist für die Anbindung an den Nanopartikel notwendig. Dadurch vereinfacht sich die Funktionalisierung und die Synthesezeit reduziert sich von mehreren Tagen auf wenige Stunden.
“Mit unserer Methode Nanokörper an Vakzine-Partikel zu koppeln konnten wir die Zeit für die Herstellung von mehreren Tagen auf wenige Stunden reduzieren. Wir erwarten, dass aufgrund unserer Arbeit schneller und effektiver das Immunsystem gegen Tumore trainiert werden kann”, sagt Volker Mailänder, Professor an der Universitätsmedzin Mainz sowie Gruppenleiter am MPI für Polymerforschung im Arbeitskreis von Katharina Landfester.
Die Forschenden hoffen, dass die erhöhte Effektivität und die reduzierten Kosten der Herstellung die Entwicklung einer nanobasierten Tumortherapie beschleunigen können. Bis ein Einsatz am Menschen jedoch möglich ist, dürften noch einige Jahre vergehen.